+++ Antikapitalistischer Block bei der Demonstration zum 1. Mai +++ Rede der Antifaschistischen Linken Freiburg auf der Hauptbühne des DGB-Fests +++ Trotz Dauerregen gute Beteiligung +++
An der diesjährigen Demonstration des DGB zum 1. Mai unter dem Motto „Die Arbeit der Zukunft gestalten wir!“ im Freiburger Stadtteil Stühlinger beteiligten sich rund 400 Menschen, deren Route wie jedes Jahr über die Wiwilibrücke [ 1 | 2 ], am Bahnhof vorbei und wieder ins Stühlinger führte. Auch 2015 lief wieder ein Teil der Demonstration explizit als Antikapitalistischer Block. Ab Mitte der Strecke wurde dieser dann auch von einem umfangreichen Polizeiaufgebot begleitet.
In diesem Jahr hatten wir den Aufruf zum Antikapitalistischen Block bewusst mit dem Motto „Erinnern heißt Handeln! Damals wie heute: Gemeinsam gegen Faschismus, Krieg und Reaktion!“ unter ein erinnerungspolitisches Thema gesetzt. Die klar antikapitalistische
Stoßrichtung blieb bestehen [2013| 2014 ], auch wenn wir im 70. Jahr nach der Befreiung Europas vom Faschismus den Fokus auf die Gefahren reaktionärer Geschichtsumdeutungen legten.
Im Zuge der Mobilisierung zum Antikapitalistischen Block wurden Plakate im Stadtgebiet verklebt, Flugblätter verteilt und zwei Interviews bei Radio Dreyeckland gegeben. [ 1 |
2]. Des weiteren veröffentlichten wir Anfang 2015 ein Antwortpapier an die Gruppe Zu viel Arbeit und führten damit die Diskussion um linke Praxis am 1. Mai in Freiburg und der generellen Fragen, die in diesem Zusammenhang aufgeworfen wurden, weiter.
Wie auch in den Jahren zuvor war unser Ziel, antikapitalistische Positionen in der Gewerkschaft sichtbar zu machen, zu stärken und eine offene Diskussion über die Inhalte des Blocks im Rahmen der Gewerkschaftsdemonstration zu erzeugen Der Bezug auf die Geschichte der Linken war uns angesichts der zunehmend reaktionären Umdeutung der Geschichte ein besonderes Anliegen.
„Mit Erinnern meinen wir dabei weder ein moralgetränktes Ritual noch die Beschäftigung mit Geschichte im Sinne der bürgerlichen Wissenschaft: Erinnern ist für uns immer die Aneignung und Verteidigung unserer Geschichte. Erinnern heißt für uns immer auch kämpfen. Dies bedeutet nicht nur, dass uns unsere Geschichte antreibt, motiviert und uns Verpflichtung ist, sondern auch, dass wir als Linke um die Deutungshoheit unserer Geschichte kämpfen müssen. […]
Wir müssen uns wieder ein lebendiges Geschichtsbild aneignen, das uns Motivation und Verpflichtung, Antrieb und Selbstbewusstsein in den tagespolitischen Kämpfen gibt. Eine der wichtigsten Aufgaben dabei ist das Niederreißen des totalitarismustheoretischen Dogmas mit all seinen Auswirkungen – auf die Geschichtsschreibung von Faschismus, Krieg und Widerstand, aber auch auf die Dämonisierung der Arbeiterbewegung und ihrer Staaten. Wir müssen unsere Geschichte gegen Angriffe von rechts verteidigen. Und das tun wir am besten,
wenn wir im Wissen um unsere Geschichte – all ihrer Verdienste und Errungenschaften, aber auch der Fehler und Niederlagen – voranschreiten und uns bewusst halten: So, wie es ist, wird es nicht bleiben!“
Deshalb wurde am 1.Mai auch die antifaschistische Veranstaltungsreihe zum 8.Mai mit
Kulturveranstaltungen, Vorträgen, Zeitzeugengesprächen und einer Kundgebung beworben.
Die Reihe wird am 13.Juni mit der Wanderung des Offenen Antifa Treffens Freiburg & Region zu dem ehemaligen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof enden. Die Wanderung
wird dabei der Strecke der Märsche der Häftlinge vom Bahnhof Rothau in das auf einem Berg gelegenen Lager folgen.
Beim traditionellen gewerkschaftlichen 1. Mai-Fest, das vom Regen unter die Brücke am Stühlinger Kirchplatz gezwungen wurde, waren wir ergänzend zu der antikapitalistischen Mobilisierung auf den Block zusammen mit dem Linken Zentrum Freiburg ¡adelante!
mit einem Infostand vertreten und verteilten die Faltblätter zur diesjährigen Mobilisierung. Nachdem 2014 der Redebeitrag des Antikapitalistischen Blocks noch auf einer Zwischenkundgebung der Demo gehalten wurde, fand unser Redebeitrag dieses Jahr auf der Bühne des DGB statt.
Neben dem Infostand des Linken Zentrum Freiburgs beteiligten sich der Kurdische Demokratische Kulturverein, die Alevitischen Gemeinde Freiburg, verschiedene Parteien und natürlich die meisten Einzelgewerkschaften des DGB wie die IG Metall, ver.di und GEW an dem Fest.
Wie schon 2014 waren auf dem Fest, ohne sich den Veranstaltern als solche zu erkennen zu geben, Beamte der Kriminalpolizei in Zivil anzutreffen. Durch das Markieren der betreffenden Personen versuchte der Arbeitskreis Antirepression Freiburg, die Auseinandersetzung um die Präsenz von Beamten in Zivil, deren Auftreten nicht zuletzt dem
Erzeugen eines Klimas der Überwachung dienen soll, in breitere Teile der Freiburger Linken zu tragen.
Noch am Abend zuvor waren anlässlich des Straßenfests im Grün mehrere hunderte Menschen zusammengekommen. Nachdem die Cops über den Abend hinweg in Uniform und auch in Zivil stark im Viertel präsent gewesen waren, das Studierendenhaus der Universität umstellt und abgeriegelt hatten, griffen sie gegen 2.15 Uhr rabiat die Musikanlage an und beschlagten diese unter massiver Gewalt. Nichtsdestotrotz waren am Abend des 1.Mai wieder viele Menschen im Grün.
Wir bewerten den Antikapitalistischen Block auf der Demonstration als positiv: Antikapitalistische Inhalte konnten durch das Auftreten des Block und durch die zentrale Rede einem breiten Spektrum der Freiburger Linken zugänglich gemacht werden. Wir freuen uns über den solidarischen Umgang und wollen uns auch 2016 wieder am Straßenfest im Grün und antikapitalistisch an der Demonstration beteiligen – dann hoffentlich nicht bei so miesem Hundewetter.
So, wie es ist, bleibt es nicht!
Antifaschistische Linke Freiburg
Wir wollen an dieser Stelle noch unseren Redebeitrag dokumentieren:
Die Geschichte lehrt uns: Erinnern heißt Handeln!
2015 jähren sich einige Ereignisse zum 70. Mal, die für das kollektive Gedächtnis der Linken wichtige Bezugspunkte bilden müssen: heute wollen wir besonders an die Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee und die Befreiung Europas vom deutschen Faschismus erinnern.
Damit hängt zusammen, dass wir uns unserer Geschichte, der Geschichte der Linken, bewusst werden möchten. Denn Geschichte und Erinnerungspolitik ist immer das Ergebnis von gesellschaftlichen Deutungshoheiten. Erinnern bedeutet daher für uns die Aneignung und Verteidigung unserer Geschichte. Erinnern heißt für uns auch, dass wir als Linke um die Deutungshoheit unserer Geschichte kämpfen müssen.
Wir dürfen nicht hinnehmen, dass gesagt wird, das Konzentrationslager Buchenwald sei 1945 in die Unfreiheit befreit worden. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass Links und Rechts unter der Formel der Totalitarismusdoktrin gleichgesetzt werden. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass Eckhard Jesse anlässlich des Jahrestags der nach Gurs deportierten Jüdinnen und Juden in der Freiburger Universität über den „weichen Extremismus“ der Linkspartei spricht.
Doch wir wundern uns über diese Geschichtsverdrehung nicht: Die Kontinuität faschistischer Funktionäre in den Institutionen nach 1945, die gezielte Ausrichtung deutscher Geheimdienste gegen die Linke oder die Verstrickungen deutscher Behörden in den NSU-Komplex: Es finden sich zu Hauf Beispiele, die unterstreichen, wo der Staat steht. Damit geht einher, dass der Staat und mit ihm die Profiteure dieses Gesellschaftssystems ein starkes Interesse an einer bürgerlichen Deutungshoheit über die Geschichte haben. Daher ist in der bürgerlichen Analyse und Deutung des deutschen Faschismus weder Platz für das Interessensgemenge aus ökonomischen Strukturen, Profiteuren und Verantwortung der Eliten noch für den Widerstand der Arbeiterbewegung.
Dass wir mit der rechten Geschichtsumdeutung in jüngster Vergangenheit noch stärker konfrontiert werden, hängt mit zwei Punkten zusammen:
Zum einen können sich die Opfer des Faschismus nicht mehr gegen ihre Vereinnahmung wehren. Je weniger antifaschistische Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer ihre moralische und politische Autorität in die Waagschale der geschichtlichen Auseinandersetzung werfen können, desto mehr sind wir gefordert, unsere Geschichte lebendig zu halten.
An dieser Stelle wollen wir an die wortgewaltige Intervention von Auschwitz-Überlebenden anlässlich des Kosovokrieges 1999 erinnern – darunter Esther Béjarano und Peter Gingold. Sie stellten klar, dass die erste militärische Beteiligung Deutschlands an einem Angriffskrieg nach 1945 nicht in ihrem Namen, nicht im Namen der Verhinderung eines zweiten Auschwitz geschehen dürfe.
Zum anderen tritt die rechte Geschichtsumdeutung aufgrund der Finanzkrise seit 2008 energischer auf. Je offensichtlicher sich das Gerede von „der Alternativlosigkeit des Kapitalismus“ und „dem Ende der Geschichte“ als falsch entpuppt, desto aggressiver wird versucht, Alternativen zu diskreditieren.
Es wird deutlich: Wir müssen uns wieder ein lebendiges Geschichtsbild aneignen und , das uns Motivation und Verpflichtung, Antrieb und Selbstbewusstsein in den tagespolitischen Kämpfen gibt. Wir müssen unsere Geschichte gegen Angriffe von rechts verteidigen. Das tun wir am besten, wenn wir im Wissen um unsere Geschichte – all ihrer Verdienste und Errungenschaften, aber auch der Fehler und Niederlagen – voranschreiten und uns bewusst halten: So, wie es ist, wird es nicht bleiben!
Daher sollen uns die Worte Peter Gingolds Mahnung und Antrieb zugleich sein: „Aber heute haben wir alle diese Erfahrung, heute muss jeder wissen was Faschismus bedeutet. Für alle künftigen Generationen gibt es keine Entschuldigung, wenn sie den Faschismus nicht verhindern.“