Viele Menschen, mehrheitlich aus der klassenbewussten Arbeiterschaft, waren nicht bereit, sich 1933 einer faschistischen Herrschaft in Deutschland zu beugen. Sie organisierten sich in Widerstandsgruppen und bildeten illegale Strukturen, um antifaschistische Arbeit zu ermöglichen. Viele von ihnen wurden von den Nazis verhaftet und ermordet, anderen gelang die Flucht aus Deutschland. Die meisten von denen kämpften auch im Exil weiter. Die Biographien der Widerstandskämpfer zeigen, mit welcher Konsequenz sie sich der Barbarei des Faschismus entgegenstellten. Ihre Geschichte zu verschweigen, hieße sie zu verleugnen und damit denen Recht zu geben, die Geschichte revidieren wollen. Wir wollen an die Antifaschistinnen und Antifaschisten aus unserer Region erinnern und fangen mit August (Gusti) Stöhr an.
Während in Deutschland die Nationalsozialisten seit drei Jahren an der Macht waren, sprach sich das spanische Volk bei den Wahlen in Spanien im Februar 1936 für die „Frente Popular“, zu deutsch Volksfront, einem Bündnis aus sozialistischen Parteien und Gewerkschaften sowie kommunistischer Partei, aus. Auf Grund des hohen Wahlergebnisses für das linke Lager vesprach den spanischen Faschisten unter General Francisco Franco nur ein Putsch gegen die Spanische Republik noch Hoffnung, zur Macht zu gelangen. Dieser begann im Juli 1936. Die Faschisten waren dabei auf den Einsatz von zehntausenden marokkanischen Söldnern angewiesen. Außerdem wurden die Putschisten von den faschistischen Mächten Deutschland und Italien militärisch und politisch unterstützt, etwa mit Waffenlieferungen oder der Bombariderung der Stadt Gernika durch die deutsche Luftwaffe. Das um seine Freiheit heldenhaft kämpfende Volk Spaniens fand durch antifaschistische Freiwillige aus vielen Ländern Europas und Übersee, die sich zu den „Internationalen Brigaden“ zusammengeschlossen hatten, eine starke Hilfe. In ihren Reihen kämpften auch 5.000 deutsche Antifaschisten mit, von denen fast jeder Zweite sein Leben im spanischen Freiheitskampf verlor.
Der Freiburger August Stöhr war einer von den „Interbrigadisten“, der selbstlos für Spaniens Freiheit sein Leben riskierte und den wir hier vorstellen möchten. Stöhr wurde am 10. Oktober 1888 in Siegelau geboren, heute ein Ortsteil von Gutach in der Nähe von Waldkirch. Nach seiner Ausbildung zum Zimmermann reiste er von 1905 bis 1914 durch Europa. Bereits 1907 trat August Stöhr der Gewerkschaft bei, 1910 wurde er Mitglied der SPD.
Als Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg wurde er 1916 schwer verwundet und kam in russische Gefangenschaft. Nach der Oktoberrevolution 1917 kämpfte er als Kriegsgefangener freiwillig auf der Seite der Roten Armee gegen die Konterrevolution. Nach Deutschland zurückgekehrt arbeitete er im Sinne der sozialistischen Revolution weiter. Er wurde in Kollnau Mitglied der KPD und war von 1927 bis 1929 Leiter der KPD-Ortsgruppen in Kollnau und Waldkirch. Außerdem war August Stöhr Aktivist im Kampfbund gegen den Faschismus, in der Roten Hilfe, in der kommunistischen Gewerkschaft RGO und saß einige Zeit für die KPD im Kollnauer Bürgerausschuss.
Als Teilnehmer am sogenannten Badischen Aufstand 1923 wurde er zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 kam August Stöhr, wie so viele andere Antifaschisten, am 4. März 1933 in die sogenannte Schutzhaft, wurde aber bereits am 14. April 1933 wieder entlassen. Nachdem im Waldkircher Kastelwald Waffen gefunden wurden, beschuldigte die gleichgeschaltete Presse sofort die seit 1933 verbotene und illegal agierende KPD und es kam wieder zu Verhaftungen. Stöhr flüchtete in die Schweiz, um einer erneuten Verhaftung und Schlimmerem zu entgehen. Er führte den antifaschistischen Kampf aus dem schweizer Exil weiter und war bis 1936 Abwehrleiter in der KPD-Grenzstelle in Basel. Stöhr war dort zuständig für die Überprüfung, Unterbringung und Versorgung der ankommenden Exilanten.
Am 10. November 1936 war Stöhr einer der Ersten, die freiwillig in den „Interantionalen Brigaden“ gegen den faschistischen Militärputsch in Spanien kämpften. Im Bataillon „Tschapajew“, dem Kämpfer aus 21 Nationen angehörten, stand er an der Verteidigungsfront in Madrid und wurde durch seinen Mut und seine Kampferfahrung bald zum Kompanieführer ernannt. Das Bataillon verstand sich als „Kernzelle der internationalen Volksfront gegen den Faschismus“.
Im Herbst 1938, kurz vor dem Sieg der Faschisten, gelang den überlebenden Freiheitskämpfern, sich nach Frankreich zurückzuziehen. August Stöhr reiste im Juli 1938 nach Paris und wurde nach der polizeilichen Anmeldung einen Monat ins Gefängnis gesteckt wegen illegalem Grenzübertritt. Die von Radikalen, Kommunisten und Sozialisten gestützte „Front Populaire“, zu deutsch „Volksfront“, regierte bereits seit April nicht mehr. Die neue Regierung unter Édouard Daladier trug derweil immer stärker antikommunistische Züge. Nach der Verbüßung bekam er eine Aufenthaltsgenehmigung. Nach Beginn des 2. Weltkrieges wurde Stöhr im Lager Bourg-Lastic in Zentralfrankreich interniert, war später in weiteren Lagern meist nur für kurze Zeit und wurde am 13. April 1943 vom Sicherheitsdienst (SD) verhaftet.
Er wurde erst in Paris gefangengehalten und später ins Gefängnis Karlsruhe überstellt. Nach mehreren Verhören durch die Gestapo wurde Stöhr vom Volksgerichtshof Berlin wegen „Vorbereitung zum Hochverat“ angeklagt und nach Magdeburg verlegt. Zu einer Verurteilung kam es zum Glück nicht mehr. Am 14. April 1945 wurde er aus dem Gefängnis Magdeburg befreit und war bis Ende Oktober 1945 in einem örtlichen Krankenhaus.
Ende 1945 kehrte August Stöhr nach Kollnau zurück und war weiter in der KPD aktiv. Sein Gesundheitszustand war als Folge der Haft schlecht, seine antifaschistische Überzeugung jedoch ungebrochen, denn schon wieder saßen auch in Südbaden die Nazis in Amt und Würden. August (Gusti) Stöhr starb am 16. September 1960 und liegt in Kollnau begraben.
August Stöhr war einer von vielen Helden und Freiheitskämpfern in der Geschichte. Dass er aus unser Region kommt, ist ein Grund mehr, gerade die Erinnerung an ihn hochzuhalten mit dem Bekenntnis im Namen der Opfer der faschistischen Barbarei in Europa:
Nie wieder Faschismus!
Nie wieder Krieg!
Quellen:
Arbeitskreis Widerstand und Arbeitergeschichte Waldkirch, Widerstand und Verfolgung in Südbaden – Der organisierte Widerstand aus der Arbeiterbewegung gegen den Nationalsozialismus. 2. erweiterte und überarbeite Auflage, Waldkirch 2001.
Verfolgung, Widerstand, Neubeginn in Freiburg 1933 – 1945. Eine Dokumentation, hrsg. v. Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der Antifaschisten Kreis Freiburg. 2. erweiterte Auflage, Freiburg im Breisgau 1989.