Der Blick aufs Ganze
Spätestens die Reform des deutschen Sozialsystems und Arbeitsmarkts unter SPD und Grünen – besser bekannt als Agenda 2010 – hat die deutsche Politik vollends der neoliberalen Logik unterworfen. Als alternativlos präsentiert und allein auf die Interessen des Kapitals Rücksicht nehmend, bleibt das einzige Ziel die Profitmaximierung eines enthemmten Marktes. Die Interessen, Bedürfnisse und Nöte von uns Lohnabhängigen haben sich dem voll und ganz unterzuordnen. Während so ein Großteil der Bevölkerung in prekären Lohnverhältnissen, Zeitarbeit und der Unsicherheit eines immer weiter schrumpfenden Sozialsystems um das tägliche Auskommen zu bangen hat, rollt schon die nächste Privatisierungswelle auf uns zu.
Gespart wird da, wo es sowieso schon fehlt, und was sich nicht rentiert, wird nicht finanziert. Der Mangel an Sozialwohnungsbau und die gleichzeitige Aufwertung ganzer Stadtteile verdrängt alle aus den Städten, die es sich nicht mehr leisten können horrende Preise für noch so kleine Wohnungen zu zahlen. Denn auch in Freiburg wird gentrifiziert. Sei es durch den sogenannten sozialen Stadtbau,der die Mieten in Viertel wie Landwasser und Haslach in die Höhe treibt, oder durch Prestige Projekte am Güterbahnhof und bei den Gutleutmatten, bei denen Sozialwohnungsbau ausgesetzt und nur eine Aufwertung der Stadtteile angestrebt wird.
In Krankenhäusern herrscht derweil akute Unterbesetzung: das Personal ist überlastet und wer sich keine Privatversicherung leisten kann, bleibt sowieso Patient_in zweiter Klasse. Die ach so unantastbare Menschenwürde scheint plötzlich verhandelbar, wenn effektive Behandlungen den zu knapp bemessenen finanziellen Rahmen sprengen.
Der Ellbogen ist im Kampf um die verknappten Ressourcen das wichtigste Gut. Die bitter notwendige Solidarität hat es schwer in der Armut der herrschenden „Realpolitik“. Das Ergebnis ist eine zunehmende Vereinsamung in dieser Konkurrenz-Gesellschaft.
Stand der rechten Dinge
Derweil erweitert sich der Raum des Sag- und Denkbaren stetig weiter nach Rechts. Rassistische und frauenfeindliche Hetzer_innen finden immer größere Plattformen, um ihre Ideologie öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Viele ihrer menschenverachtenden Parolen scheinen nun in der medialen Wahrnehmung eine legitime politische Meinung geworden zu sein, was unsere ach so tolerante Stadt bei Diskussionen über Eintrittsverbote für Geflüchtete in Clubs oder rassistischen Kommentaren im Mordfall der Studentin Maria eindrucksvoll bewies. Menschen werden aufgrund ihres Aussehen, ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts kollektive Eigenschaften zugeschrieben. Vorurteile werden bewusst geschürt. Die Spaltung von uns Lohnabhängigen ist und bleibt das Resultat dieser perfiden Logik.
Und auf Worte folgen Taten. Anschläge auf Unterkünfte für Geflüchtete sind so alltäglich geworden, dass sie nicht einmal eine Randnotiz in der Tageszeitung wert sind. Jede Person, die nicht in das Idealbild der neuen-alten propagierten Leitkultur passt, erfährt am eigenen Leib die Gewalttätigkeit rechter Ideologien. Homosexuelle, vermeintliche „Ausländer“ und Menschen, die sich nicht in traditionelle Geschlechterrollen einordnen lassen, werden als „die Anderen“ zum Ziel von aufgestauter Wut. Jede Meldung in sozialen Medien, die die eigenen Vorurteile bestätigt, findet dann tosende Zustimmung. Ganz egal, wie absurd sie auch klingen mag.
Von Hetze und falschen Alternativen
In die Kerbe der allgemeinen Verunsicherung schlägt die Hetze von AfD und Konsorten. Wer um die Zukunft bangt, kann gegen Geflüchtete wettern. Wen das marode Sozialsystem ängstigt, darf sich eine traditionelle Familie für den sozialen Rückhalt wünschen. Und wem gerade schon wieder die Rente oder Sozialleistungen gekürzt wurden, soll sich über jede spärliche Ausgabe ärgern, die Andere noch so dringend benötigen. Die AfD deutet die Ursachen unserer alltäglichen Missstände um. Probleme der Verteilung und Prekarisierung, die aus dem bestehenden Wirtschaftssystem resultieren, finden in dieser rechten Argumentation andere Sündenböcke. Nationale Identität wird parallel dazu zum höchsten Gut überhaupt verklärt und verstellt den Blick auf die tatsächlichen Ursachen unserer Probleme. Schuld sind dann plötzlich „die Anderen“ und nicht die tatsächlich Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft.
Die angebotenen Alternativen von Rechts bleiben Scheinlösungen, die keine Probleme beheben, sondern uns nur gegeneinander ausspielen. Einem globalisierten Kapitalismus wird ein national-abgeschotteter entgegen gesetzt. Beide bedeuten jedoch neoliberale Verwerfung, Privatisierung und Sozialabbau. Für unsere Lage als Lohnabhängige bleibt die Perspektive: eine zutiefst gespaltene Gesellschaft, ein immer autoritärer agierender Staat und Hass auf alles „Fremde“.
Gemeinsam gegen die Alternativlosigkeit
Wir dürfen uns nichts vormachen lassen. Anstatt uns entlang rechter Demagogie in Gruppen spalten zu lassen, müssen wir zusammenstehen und für unsere gemeinsamen Interessen eintreten. Weder die herrschende Politik noch die „Alternativen“ von Rechts sind für uns! Sie reduzieren uns zu lohnabhängigen Humanressourcen, um dann von der Alternativlosigkeit der Maßnahmen zu schwadronieren oder Sündenböcke für die Verwerfungen ihrer Politik zu suchen. An den bestehenden Verhältnissen, die uns zu schaffen machen, wollen sie aber nichts ändern. Ihrer Politik und niemandem sonst muss daher unsere Wut und Ablehnung gelten!
Was wir brauchen ist eine solidarische Gesellschaft! Dazu müssen wir uns organisieren und zusammenstehen. Die neue Leiharbeiterin ist dann nicht die Konkurrentin um den eigenen Job, sondern eine Leidensgenossin, mit der man gemeinsam für das selbe Ziel kämpft. Der Geflüchtete ist dann nicht eine weitere Person, die angeblich dem Sozialstaat auf der Tasche liegt, sondern ein Mensch, der genauso mit den Entbehrungen eben dieses Sozialstaats zu kämpfen hat, wie jede_r von uns.
Wir haben ein gemeinsames Interesse und wir dürfen uns nicht spalten lassen! Eine solidarische Gesellschaft und ein gutes Leben für alle sind machbar. Zusammen und entschlossen müssen wir dafür einstehen: Gegen die falschen „Alternativen“ von Rechts und für eine antikapitalistische Perspektive!
Zusammenstehen. Organisieren. Kämpfen. – Wir lassen uns nicht spalten!
Antifaschistische Linke Freiburg (IL)