Demonstration: Gesundheit ist keine Ware! Für ein solidarisches Gesundheitssystem!
Donnerstag, 21.09. | 18h | Platz der alten Synagoge
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Die Zustände in deutschen Krankenhäusern sind erschreckend: Patient_innen müssen unnötige Schmerzen aushalten, da nach Operationen die regelmäßigen Kontrollen unterbleiben. Das schier endlose Warten auf eine Pflegekraft gehört zur Normalität. Fehlende Zeit für die Einhaltung von Hygienestandards führt zu vermeidbaren Todesfällen. Immer häufiger müssen pflegende Angehörige einspringen, um Versorgungslücken zu schließen. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Patient_innen pro Pflegekraft in rasantem Tempo zu: mit durchschnittlich über 10 zu versorgenden Patient_innen gehört das deutsche Gesundheitssystem europaweit zu den Schlusslichtern. Die Arbeitsverdichtung sorgt massenhaft für physische und psychische Überlastung. Folge sind psychische Erkrankungen wie Burnout oder Depression und körperliche Schäden wie Bandscheibenverletzungen, weil nicht genug Personal vorhanden ist, um schwere körperliche Aufgaben gemeinsam zu bewältigen. Der Personalmangel schadet damit der Gesundheit der Patient_innen wie der Beschäftigen.
Ursache für die Zustände ist der Umbau der Krankenhäuser zu Wirtschaftsunternehmen. In den letzten 20 Jahren wurde die Krankenhauslandschaft nach dem Prinzip „Mehr ökonomischer Wettbewerb“ zu einem Markt für Gesundheit umgebaut, der nicht den Menschen dienen, sondern Profit erwirtschaften soll. Seit der Einführung des Abrechnungssystems nach Fallpauschalen (DRG – Diagnosis Related Groups) wird jeder Diagnose ein Wert und damit ein „Preis“ zugeordnet. Bestimmte OP‘s sind dadurch lukrativer als andere, Patient_innen werden entlassen, wenn die berechnete Verweildauer überschritten wurde. Die Konsequenz ist, dass über Behandlungen und Dauer des Krankenhausaufenthaltes nicht nach medizinischen Kriterien entschieden wird, sondern danach, was sich gewinnbringend abrechnen lässt. Krankenhäuser werden in Konkurrenz zueinander gesetzt und müssen profitorientiert wirtschaften. Deswegen muss am Personal gespart und die Arbeit immer weiter verdichtet werden – in den Krankenhäusern herrscht daher Personalnot, Unter- und Fehlversorgung.
Gegen die Verhältnisse regt sich aber bundesweit Widerstand: 2016 haben die Beschäftigten der Berliner Charité erstmals einen Tarifvertrag mit verbindlichen Personalschlüsseln erkämpft. Bemerkenswert war, dass die Beschäftigten wiederholt erklärt haben, dass sie eben nicht auf Kosten der Patient_innen streiken – wie dies die Krankenhausleitungen streikenden Beschäftigten gerne vorhalten – sondern im Sinne der Patient_innen. Im Saarland schlossen sich bereits Anfang des Jahres viele Beschäftigte zusammen, um ihren Protest lautstark zu äußern. Der Personalmangel in der Pflege wurde so zu einem bundesweit diskutierten Thema. Der Widerspruch der Pflegenden gegen Personalmangel, Arbeitsverdichtung und Ökonomisierung des Gesundheitssystems wird immer lauter. Parallel dazu haben sich wie in Freiburg viele Solidaritätsgruppen gegründet, die die Beschäftigten bei ihren Auseinandersetzungen aktiv unterstützen und die gesellschaftliche Dimension dieses Konflikts deutlich machen wollen.
Die Herrschenden müssen langsam erkennen, dass sich die Kommerzialisierung der Krankenhäuser nicht ohne Widerstand durchsetzen lässt. So musste das Bundesgesundheitsministerium reagieren und plant die Einführung von Personaluntergrenzen ab 2019 – allerdings nur in sogenannten „pflegesensitiven Bereichen“. Diese ersten Erfolge gehen auf kämpferische Bewegungen zurück, denen es gelungen ist, das Thema in den medialen Fokus zu tragen. Zugleich zeigt sich, dass durch partielle Zugeständnisse versucht wird, den Druck der Bewegung abzufedern. Kein Wunder, denn im Herbst stehen Bundestagswahlen an. Da kommen soziale Themen wie Untergrenzen für Krankenhauspersonal den Herrschenden ungelegen, denn lieber würde man über Obergrenzen gegen Flüchtlinge sprechen.
Doch wir überlassen das Feld weder den Rassist_innen von AfD und Pegida noch den Herrschenden der ganz Großen Koalition, die uns ihre neoliberale Politik als alternativlos verkaufen wollen! Wir setzen die Frage nach einem solidarischen Gesundheitswesen und einem würdevollen Leben für alle auf die politische Agenda! Die miserablen Bedingungen in Krankenhäusern sind kein Naturgesetz, sondern Ergebnis kapitalistischer Gesundheitspolitik! Krankenhäuser sind keine Fabriken, in denen immer mehr Menschen in immer kürzerer Zeit repariert werden können! Gesundheit ist ein zentrales Gut, auf das jede_r Anrecht hat! Die Gesundheitsversorgung geht uns alle an – egal ob Pflegende, die unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden und wegen Personalmangel Patient_innen nicht angemessen versorgen, oder (zukünftige) Patient_innen, die nicht nach ihren Bedürfnissen versorgt werden, sondern so wie sich am besten damit verdienen lässt. Mit den Kämpfen für ein bedarfsgerechtes, gemeinwohlorientiertes Gesundheitssystem stellt sich gleichzeitig insgesamt die Frage nach einem besseren, gerechteren und würdevolleren Leben für alle. Gesundheit ist keine Ware! Gesundheitsversorgung vergesellschaften!
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Was bedeutet der Unterstrich_?
Mit dem Unterstrich wollen wir in unseren Texten auch all den Menschen Raum geben, die sich nicht den Kategorien Mann oder Frau zuordnen. Damit meinen wir explizit Personen die sich als Transgender, Intersexuell und Queer verstehen.