Am 8. März ist Frauen*kampftag und wir rufen euch alle dazu auf, gemeinsam mit uns gegen den sexistischen Normalzustand und für eine Welt ohne patriarchale Unterdrückung auf die Straße zu gehen.
Donnerstag 08.03.2018 | 18 Uhr | Platz der Alten Synagoge
Dass es dafür auch im Jahr 2018 genügend Gründe gibt, zeigt der Aufruf des 8. März-Bündnisses, von dem auch wir ein Teil sind:
www.8maerzfreiburg.blogsport.de
Dass es darüber hinaus, grundlegenden gesellschaftlichen Wandel braucht, um unsere Forderungen und Wünsche umzusetzen, stellen wir in einem eigenen Aufruf dar:
Auf die Straße zum 8. März!
Vor 100 Jahren haben Frauen in Deutschland und auf der ganzen Welt das Wahlrecht erkämpft! Sie haben sich damit einer Ordnung widersetzt, in der Männer Jahrhunderte lang Gesetze über ihre Köpfe hinweg erlassen hatten und stellten damit die patriarchale Ordnung in Frage.
Heute können die meisten von uns bei jeder Wahl ihr Kreuzchen setzen. Aber ist es deswegen so, dass die Gesetze nicht länger Ausdruck einer männlichen Vorherrschaft sind? Und können wir auf diese Weise wirklich wählen, in welcher Welt wir leben wollen?
Sind das beispielsweise echte Wahlalternativen für eine alleinerziehende Mutter, wenn sie sich entweder zwischen Zeit für die Kinder aber prekärer finanzieller Verhältnisse, oder enormer Doppelbelastung durch Kind und Karriere entscheiden muss? Trifft eine Frau aus Osteuropa eine freie Wahl, wenn sie in Deutschland Pflegearbeit leistet, um ihre Kinder zu ernähren und dafür ihre eigene Familie zurück lässt?
Welche Wahl haben wir denn, wenn Frauen in die Schubladen „Karriere“ oder „Mutter“ eingeordnet werden, auch wenn sie sich mit keinem von beiden identifizieren wollen? Wir wollen weder an Kinder und Küche gebunden sein, noch wollen wir unsere Ellbogen ausfahren. Das würde doch nur bedeuten, dass wir uns nicht nur als Lohnarbeiter*innen ausbeuten lassen müssen, sondern uns auch noch besonders anstrengen sollen, damit das bestehende System noch ein bisschen besser funktioniert.
In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Arbeitsmarkintegration von Frauen auf allen Ebenen forciert, sodass heute ein Großteil aller Frauen erwerbstätig ist. Als ein wichtiger Bestandteil der Frauenbefreiung macht das ja auch absolut Sinn! Gleichzeitig hat sich niemand überlegt, wer denn die ganze Fürsorge- und Hausarbeit übernehmen soll, die früher allein von erwerbslosen Frauen verrichtet wurde. Das Resultat ist, dass Frauen heute meist sowohl einer Lohnarbeit nachgehen, als auch die unbezahlte Sorge-, Erziehungs- und Reproduktionsarbeit verrichten. Sie sind damit einer enormen Doppelbelastung ausgesetzt, der sich Männer noch immer leichter entziehen können. Haben Familien ausreichend finanzielle Mittel, wird die Sorgearbeit alternativ an andere Frauen weitergegeben. Diese arbeiten zu Niedriglöhnen und können selbst niemanden anstellen, der sie entlastet. Das Problem wird also nur verschoben, nicht gelöst.
Profiteure dieses Systems sind vor allem der Staat und die freie Wirtschaft. Sie verlassen sich darauf, dass Frauen die notwendige Reproduktionsarbeit stets unbezahlt verrichten und sorgen gleichzeitig dafür, dass diese als individuelles Problem von Frauen (und Familien) betrachtet wird. Wir aber wissen, dass es sich um ein strukturelles Merkmal handelt, ohne das die gegenwärtige kapitalistische Ordnung nicht denkbar wäre.
Schon die scheinbar freie Wahl neben Kindern auch Karriere machen zu können, entstammt im Grunde der Profitlogik des Kapitalismus. Alternative Lebensentwürfe, die sich nicht der Produktion oder Reproduktion von Kapital unterwerfen möchten, werden uns durch öffentliche Anfeindungen und staatliche Lenkversuche so schwer wie möglich gemacht, denn der Kapitalismus basiert auf ständiger Produktions- und Reproduktionsarbeit. All das zeigt uns: Eine Befreiung der Frau im Kapitalismus kann es nicht geben, deshalb muss Feminist*in zu sein, heißen, Kapitalismus zu bekämpfen!
Wir sind uns dabei bewusst, dass es große Unterschiede zwischen Frauen gibt. Eine Krankenschwester, die Nachschichten und lange Arbeitszeiten zu bewältigen hat, hat größere Schwierigkeiten, die Fürsorge für die eigenen pflegebedürftigen Angehörigen zu organisieren als eine gutverdienende Akademikerin, die sich womöglich ein Kindermädchen leisten kann. Eine aus Gambia migrierte Angestellte, deren Freundinnen und Angehörige im Alltag Rassismus erleben, hat vielleicht anstrengendere emotionale Sorgearbeit zu leisten als eine mitteleuropäische weiße Frau, die in einem wohlbehüteten Umfeld aufgewachsen ist. Aber diese Unterschiede, so wichtig es ist, sie stets mitzudenken, dürfen uns nicht spalten, in dem Kampf, den wir alle gemeinsam führen! Die Unterdrückung von Frauen ist gesamtgesellschaftlich, ökonomisch und staatlich strukturiert. Und trotzdem wird sie uns als individuelles Problem verkauft.
Darüber dürfen wir wütend sein! Feminismus ist nicht nebensächlich oder unnötig geworden oder weniger wichtig als andere Kämpfe um soziale Gerechtigkeit. Feminismus ist der Kampf um soziale Gerechtigkeit. Rassistische Spaltung, sexistische Unterdrückung, ökonomische Ausbeutung und soziale Abwertung – all das ist Teil eines kapitalistischen Systems, das uns vorgibt, gegeneinander kämpfen zu müssen. Aber das ist falsch! Wir erkennen heute besser denn je, dass das gegenwärtige System versagt hat: Das System abgegrenzter Nationalstaaten hat zu keiner Selbstbestimmung geführt, sondern sorgt dafür, dass in jedem Staat illegalisierte Menschen zweiter Klasse leben; der Sozialstaat ist nicht sozial, weil er keine Gerechtigkeit schafft und bei der Gleichstellung von Frauen versagt hat; und der Kapitalismus hat sein großes Versprechen vom Wohlstand für alle nicht eingelöst, sondern bedeutete von Anfang an bis heute Reichtum für Wenige. Die Ordnung, in der wir leben ist falsch und sie gehört überwunden! Das wussten die Frauen, die vor 100 Jahre für ihr Wahlrecht auf die Straße gegangen sind, und dass wissen wir heute, wenn wir für eine Überwindung der patriarchalen Klassengesellschaft kämpfen, die zu großen Teilen auf der Ausbeutung von Frauen beruht.
Was wir brauchen, ist ein Systemwandel! In einer Gesellschaft, in der das binäre Mann-Frau-Denken überwunden ist, wird es keine stereotypen Rollenzuteilungen von Lohnarbeit und unbezahlter Sorgearbeit mehr geben. In einer Gesellschaft, die bedürfnis- statt profitorientiert funktioniert, wird Erziehungs-, Pflege und Hausarbeit von allen geleistet, und erhält so die gleiche Anerkennung wie bezahlte Arbeit. In einer Gesellschaft, in der Lebensentwürfe nicht an das Profitinteresse der Wirtschaft angepasst werden müssen, können Menschen gleich und frei zusammenleben. Diese Gesellschaft ist es, die wir wollen!
Dafür müssen wir uns verbünden, uns von unten organisieren, den ganz großen Wandel wollen und bereit sein dafür auch im Alltag zu kämpfen – in jeder Beziehung. Wir müssen die Arbeitskämpfe von Pfleger*innen in ganz Deutschland unterstützen, uns solidarisch mit Kurd*innen gegen die Angriffe auf ihre emanzipatorische, geschlechtergerechte Gesellschaft zeigen; müssen viel, oft und laut über gesellschaftliche Strukturen diskutieren, die sexuelle Belästigung, männliches Dominanzverhalten und stereotype Rollenbilder hervorbringen und gegen Gesetze und eine Politik protestieren, die der Kontrolle unserer Körper und Lebensentwürfe dient.
Das Wahlrecht wurde den Frauen vor 100 Jahren nicht einfach auf dem Silbertablett präsentiert. Sie haben es sich erkämpft und keine Ruhe mehr gelassen, bis sie als gleichwertige Bürgerinnen anerkannt waren! Auch unser Feminismus heute soll offensiv und unversöhnlich sein! Wir wollen uns nicht nur verteidigen gegen diejenigen, die das Rad von rechts zurückdrehen wollen, oder diejenigen, die versuchen Feminismus neoliberal zu vereinnahmen und in ihre Profitinteressen einzuspannen. Stattdessen müssen wir die bestehende Ordnung auseinandernehmen: in Arbeitskämpfen, auf der Straße, im Alltag – solidarisch und durch Widerstand, wo es nur geht. Wir wissen, dass eine andere Welt möglich ist. Also holen wir sie uns!
In diesem Sinne: Geht mit uns am 8.März auf die Straße!