„Kriminalität geht in Deutschland so stark zurück wie seit 1993 nicht.“ – Welt
„Neue „NSU 2.0“-Drohschreiben – Polizist vorläufig festgenommen.“ – Berliner Morgenpost
„12.000 Verdachtsfälle illegaler Polizeigewalt pro Jahr.“ – Zeit
„Nordkreuz & Co – Rechtsextremismus bei der Polizei.“ – SVZ
Die Lage in Deutschland scheint eigentlich eindeutig zu sein: sinkende Kriminalitätsstatistiken auf der einen, neue Erkenntnisse über illegale Polizeigewalt auf der anderen Seite. Zudem sind seit dem NSU-Prozess immer mehr Verstrickung von Polizist*innen in extrem rechte Netzwerke ans Tageslicht gekommen. Die logische Konsequenz daraus wäre: mehr zivilgesellschaftliche Überwachung der Geheimdienste und Polizei, Kennzeichnungspflicht für Polizist*innen im Dienst, unabhängige Beschwerdestellen gegen Polizeigewalt sowie ein konsequentes Vorgehen gegen rechte Umtriebe in allen Behörden.
Stattdessen wiederholen regierende Politiker*innen jedoch lieber ihr scheinbares Universalrezept für und gegen alles: schärfere Gesetze, härtere Strafen, mehr Befugnisse für Polizei und Geheimdienst. Diese allgemeine Sicherheitshysterie führt zu einer fortwährenden Beschneidung unserer Freiheitsrechte. Diese Freiheitsrechte sind keine Selbstverständlichkeit, sondern wurden vor allem durch soziale Bewegungen erkämpft und müssen von uns auch so verteidigt werden.
Bundesweit können wir die Herausbildung eines zunehmend autoritären Polizei- und Überwachungsstaats beobachten. 2017 verschärfte Baden-Württemberg als erstes Bundesland maßgeblich seine Polizeigesetze. Staatstrojaner, Kriegswaffen, „intelligente“ Videoüberwachung, Aufenthalts- und Kontaktverbote, elektronische Fußfesseln und Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen gehören seitdem zum Arsenal der Behörde. Übertroffen wurde das Gesetz nur in Bayern, wo mit der letzten Verschärfung das härtste Polizeigesetz seit 1945 eingeführt wurde. Der allgemeine Trend geht in allen Bundesländern in die selbe Richtung:
- Die Polizei konzentriert sich zunehmend auf Präventivmaßnahmen statt auf die eigentliche Strafverfolgung. Freiheitsrechte von Menschen werden somit schon im voraus eingeschränkt – einzig auf der Grundlage der Annahme, dass jemand möglicherweise eine Straftat begehen könnte.
- Zusätzlich wird die Polizei weitestgehend militarisiert. Damit wird de facto das Verbot eines Bundeswehreinsatzes im Inland Umgang. Die Polizei wird einfach selbst mit Kriegswaffen wie Handgranaten und Sprenggeschossen ausgerüstet. Dieses unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung eingeführte Arsenal kommt allerdings auch immer öfter im Kontext von Demonstration, Fußballspielen oder einfachen Straßenkontrollen zum Einsatz.
- Indem die Polizei auch noch tiefgreifende Überwachungskompetenz zugestanden bekommt, findet auch eine Vermischung von polizeilichen und geheimdienstlichen Tätigkeiten statt. Die strikte Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten war jedoch eine der zentralen Lehren aus dem deutschen Faschismus – ein derart mächtiger Polizeiapparat kann weitestgehend selbstbestimmt und uneingeschränkt Freiheitsrechte einschränken, Menschen überwachen und gegen sie vorgehen.
Während auf Bundesebene die Innenministerkonferenz unter Horst Seehofer eine Angleichung der Landespolizeigesetze nach bayrischem Vorbild diskutiert wird, plant Thomas Strobl (CDU) in Baden-Württemberg auch schon die nächste Verschärfung. Auf dem Plan stehen dieses Mal:
- Ausweitung der Schleierfahndung: anlasslose Kontrollen jederzeit und ohne Angaben von Gründen in einem 30 km Korridor entlang der Bundesgrenze.
- Unendlichkeitshaft: Menschen sollen zukünftig präventiv – also ohne eine Straftat begangen zu haben – für bis zu drei Monate in Haft genommen werden können, die wiederum uneingeschränkt oft verlängerbar ist.
- Vorkontrolle bei Demonstrationen: die gängige illegale Polizeipraxis, Teilnehmer*innen von Demonstrationen schon im Vorfeld zu kontrollieren, soll damit legalisiert werden.
- Body-Cams in Privatwohnungen: Polizist*innen sollen ihre Körperkameras in Zukunft auch in unseren Wohnungen einsetzen dürfen.
- DNA-Untersuchung: Präventiv sollen anhand der DNA Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie Alter von Menschen ermittelt werden können.
- Staatstrojaner-Durchsuchungen: Statt nur die Überwachung laufender Kommunikation soll mit dem sogenannten Staatstrojaner auch die Durchsuchung von Computern und Smartphones legalisiert werden.
Wir wollen diese zunehmende Einschränkung unserer Freiheitsrechte nicht länger hinnehmen. Mehr Polizei und härtere Gesetze machen unser Leben nicht sicherer, sondern werden vielmehr zu Bedrohung für unsere Sicherheit und unseren Schutz vor der Staatsgewalt selbst.
Deshalb fordern wir keine weitere Verschärfung der Polizeigesetze und die Rücknahme der bereits verabschiedeten Gesetzesänderungen. Wir fordern hingegen eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamt*innen im Dienst sowie unabhängige Beschwerdestellen, die ein objektives und unparteiisches Ermittlungsverfahren gegen Polizist*innen ermöglichen.
Diese Forderungen wollen wir kreativ und nachdrücklich in die Gesellschaft tragen.
Kommt deshalb im Zuge des landesweiten Aktionstages alle zu unserer Kundgebung:
Samstag, 12. Oktober | 17:30 Uhr | Platz der alten Synagoge
Freiheitsrechte verteidigen – Gegen eine erneute Verschärfung des Polizeigesetz in Baden-Württemberg!