Wir teilen hier einen ersten Nachbericht zu den antifaschistischen Protesten gegen den AfD-Landesparteitag in Offenburg, der auf der Plattform Antifa-Info veröffentlicht wurde:
Mit den seit Langem größten Protesten hat der Landesparteitag der baden-württembergischen AfD am Samstag in Offenburg begonnen. Mehr als 1200 Menschen beteiligten sich am 4. März 2023 an unterschiedlichen Kundgebungen und Demonstrationen gegen das Treffen der Rechten in der städtischen Oberrheinhalle. Die Polizei griff im Laufe des Tages eine antifaschistische Demonstration brutal an und sorgte für deren Auflösung.
Begonnen hatte der Tag mit einer Kundgebung des DGB Südbaden auf dem Marktplatz, auf der unter anderem die GEW-Landesvorsitzende sprach. Im Anschluss daran folgte eine von der Offenburger „Aufstehen gegen Rassismus“-Gruppe initiierte Demonstration von der Innenstadt zum Messegelände, an der sich auch viele Menschen aus Offenburg und Umgebung beteiligten.
Zur Beteiligung an beiden Veranstaltungen hatte auch die überregionale antifaschistische Kampagne aufgerufen, welche von über 20 Gruppen, Initiativen und Parteien getragen wurde. Mehrere hundert Menschen aus vielen Ecken Baden-Württembergs, dem Elsass und der nahen Schweiz unterstützen deswegen mit organisierten Anreisen den lokalen Widerstand. Etwa 4–500 Menschen schlossen sich auf dem Weg zur AfD-Tagungshalle zu einem organisierten Bereich zusammen, welcher mit einem eigenen Lautsprecherwagen, lautstarken Parolen und hier und da etwas buntem Rauch die kurze Strecke zurücklegte.
Auf dem Vorplatz der Messehalle folgte im Anschluss an die erste Demonstration eine längere Kundgebung, auf der auch eigens mit Polizeischutz angereiste Funktionärin der SPD und ein Landtagsabgeordneter der Grünen sprach. Die Beiträge der beiden Regierungsvertreter:innen blieben im Publikum nicht ohne Widerspruch. Mehrere Hochtransparente kritisierten den Kriegskurs der Ampelregierung und deren unsoziale Krisenpolitik, Buhrufe und Pfiffe mischten sich mit dem Klatschen der extra landesweit mobilisierten SPD-Mitglieder.
Deutlich wurde im Anschluss auch ein Redner der antifaschistischen Kampagne „Den Widerstand nicht abreißen lassen – gemeinsam gegen den AfD-Landesparteitag“. Sein Tenor: Natürlich sind und bleiben die Faschist:innen der gefährlichste Gegner. Gegen AfD und Co. gilt es gemeinsam eine breite antifaschistische Front aufzubauen, die auch die soziale Frage stellt. Genau deswegen dürften aber die bestehenden gesellschaftlichen Probleme und ihre aktuellen Verursacher nicht ausklammert werden. Die Kritik ziele explizit auf die Politik der Ampel und deren Funktionär:innen und nicht auf Teile der SPD/Grüne-Basis und deren ehrlichem antifaschistischen Engagement.
Die zweite Demonstration des Tages startete dann gegen 13 Uhr von der Messe aus in Richtung Innenstadt. An ihr beteiligten sich fast 700 Menschen und somit ein Großteil der verbliebenen Teilnehmer:innen der AgR-Kundgebung. Zu Demonstration aufgerufen hatte die überregionale antifaschistische Kampagne aufgerufen. Ziel der Demonstration war eigentlich der dicht bewohnte Ostteil der Offenburger Innenstadt. Dort befindet sich mit der Gaststätte „Brandeck“ eine Location, welcher der AfD in regelmäßigen Abständen ihre Räume für Stammtische zur Verfügung stellt. Im Anschluss sollte es wieder in die Innenstadt und zum Bahnhof gehen. Der Tenor: Wenn sich die AfD in einer Halle verschanzt, nimmt sich die antifaschistische Bewegung die Straßen der Stadt und schafft Öffentlichkeit für den Kampf gegen Rechts.
Bereits im Loslaufen flogen rote Farbbeutel auf die Fassade der AfD-Tagungshalle. Aus einer dynamischen Anfangssituation, in der eine forsche Demonstration auf unvorbereitete und chaotische Bereitschaftspolizist:innen traf, entwickelte sich schnell ein Kampf um jeden Meter Demo-Strecke und eine unübersichtliche und in Teilen unkoordinierte Situation. Nach 200 Meter vorwärts gelang es der Polizei, die Demonstration mit massiver Gewalt zu stoppen. Mehrere Teilnehmer:innen der Demonstration wurden hierbei durch Schläge auf den Kopf und Tritte teils schwerer verletzt und auch die Polizei zahlte ihren Preis für das brutale Vorgehen: Einige Beamt:innen wurden durch einen, augenscheinlich zum Selbstschutz eingesetzten, Feuerlöscher außer Gefecht gesetzt.
Was dann folgte, war so bitter wie absehbar. Über mehr als sechs Stunden, bis in den späten Abend hinein, kesselte die Offenburger Polizeiführung bei Temperaturen im unteren einstelligen Bereich mehrere hundert Antifaschist:innen und führte bei allen Personalienfeststellungen und bei einigen kurzzeitige Festnahmen durch.
Die Maßnahme konnte zwar nicht verhindert, durch das solidarische Zusammenstehen aller Betroffenen und vieler Menschen außerhalb der Polizeiketten aber zumindest erträglicher gestaltet werden.
Für eine ausführliche Nachbereitung ist es an dieser Stelle zu früh, dafür braucht es Zeit, kollektive Diskussion und Reflexion. Der Tag in Offenburg hat aber gezeigt, dass es nach wie vor eine Bereitschaft gibt, gegen die AfD auf die Straße zu gehen. Daran lässt sich anknüpfen. Genauso festhalten lässt sich, dass die Debatte über die richtige politische Strategie im antifaschistischen Kampf notwendiger denn je ist. Und es bleibt einmal mehr die Erkenntnis, dass die baden-württembergische Polizei wenig unversucht lässt, alles dafür zu tun, um selbstbestimmte Momente auf der Straße zu unterbinden. Das ist ihnen heute nicht vollends gelungen, der Preis dafür war aber hoch.
Die AfD setzte derweil am ersten Tag ihres Parteitags unter teils chaotischen Umständen ihre internen Richtungskämpfe fort. Die eigentlich vorgesehene zentrale Debatte und Abstimmung über eine Satzungsänderung wurde auf einen späteren Parteitag verschoben.